Januar


Nach 2,5 Wochen in Goa am Strand juckt es mich und Till gleichzeitig wieder das Motorrad zu packen und loszuziehen. Es kribbelt und man spürt jeden Tag mehr, dass man weiterfahren möchte. Wir sind dankbar für diese schöne Zeit mit lieben Menschen verbracht zu haben. Schwerer würde die Entscheidung werden wohin es nun gehen soll. Thailand hat die Regularien zwei Tage vor Weihnachten geändert. Eine Reise mit dem eigenen Fahrzeug ist seitdem nicht mehr ohne geführte Tour durch das Land möglich. Unglaublich horente Preise werden verlangt: Eine Transitfahrt 2 Tage von Mynamar durch Thailand nach Laos ohne Hotel und Essen, nur der Fahrer, der vor einem fährt, kostet 900 Euro. Myanmar erlaubt auch nur geführte Touren für overlander. 10 Tage durch Myanmar kosten pro Person 1100 Euro. Dann müsste man von Laos durch China fahren. Auch nur mit Guide möglich. Mindestens 3000 Euro. Wir sind ein bisschen verzweifelt und traurig. Die Tour, die wir vor hatten ist ohne Geldesel so nicht möglich. Wir schieben jede eventuelle Möglichkeit hin und her. Schreiben verschiedene Leute an, holen Informationen ein. Aber besser wird’s nicht. Wir müssen bald eine Entscheidung treffen, wie unsere weitere Route aussehen soll. Kopfzerbrechen. Um sich davon abzulenken gib es ein kleines Mini-Fotoshooting am Strand. Danke Bert! 

 Wir verabschieden uns von Goa. Sind wieder voller power on the road. Sagenhaftes Gefühl. Der Fahrtwind, die vorbeiziehende Landschaft, die Menschen. Auf dem Weg nach Hampi machen wir einen Abstecher nach Badami um die berühmten Badami Caves in den Felsen zu bestaunen. Schön durch die Pampa besuchen wir am nächsten Tag die nahegelegenen Tempelanlagen in Pattadakkal. Wir sehen den für uns bis jetzt atemberaubensten Baum auf unserer Reise. Er muss uralt sein.

 Es geht nach Hampi, eine historische Stätte im indischen Bundesstaat Karnataka. Die Landschaft ist abgefahren. Riesige Granitfelsen soweit das Auge reicht. Unzählig viele Tempel, Palastanlagen, der 42 Meter hohe Virupaksha Tempel, das reinste Freilichtmuseum. Wir erkunden Hampi auf Fahrrädern und können uns nicht sattsehen. Am Abend klettern wir auf einen Aussichtspunkt und haben einen spektakulären Blick über die Tempelanlagen. Wir sind sprachlos. Leider kann ein Foto das gar nicht so richtig einfangen. Sonnenuntergang über Hampi. Wunderschön.

 Jetzt heißt es für uns eine Entscheidung treffen. Wir sind hin und her gerissen. Wägen alle Pros und Contras ab. Unser Visum für Indien läuft auch bald aus. Der Weg in den Norden nach Nepal ist weit. Süden oder Norden....es geht Richtung Norden. Für 350 Kilometer von Hampi nach Hyderabad brauchen wir volle 10 Stunden. Im Dunkeln zu fahren wollten wir bis jetzt immer vermeiden, haben es aber nie einhalten können. Hyderabad ist eine megacity mit 15 Millionen Einwohnern. Nach 10 Stunden Fahrt noch durch eine Megastadt mit indischem Verkehr und Hotelsuche zu fahren erfordert nochmals extra Konzentration. Ich bewundere Till da sehr wie toll er das meistert. Meine Aufgabe ist es dann immer nach einem Hotel zu suchen und den Preis zu verhandeln. Gerade in so einer Stadt ist eine sichere Unterstellung für das Motorrad das A und O. Am nächsten Tag sollen wir den hießigen Motorradclub treffen. Wir sind gespannt.

 In einer Megacity ist alles möglich. Man kann alles einkaufen, essen, es gibt alles in Hülle und Fülle. Für mich gibt es zwei neue Brillen, in meiner Stärke, nach einer Stunde abholbereit für insgesamt 15 Euro. Halloooo?! Wie abgefahren ist das denn!

Am Abend treffen wir die Mitglieder des Hyderabads Motorradclubs. Sie sind so herzlich zu uns. Es wird gegessen, erzählt, gelacht, einen Blumenkranz gibt es auch noch für uns. Wir sind begeistert.

 Mit neuen Kontakten, vielen Tipps für unsere nächste Route ziehen wir weiter Richtung Norden. Leider ohne „Schnecke“. Die Tachowellenschnecke hat sich leider verabschiedet d.h. Till kann nicht mehr sehen wie schnell wir fahren und die gefahrenen Kilometer werden nicht mehr angezeigt. Doof. Das Ersatzteil ist so klein aber fein und leider für das Motorrad nicht in Indien erhältlich. Wir finden aber eine Lösung..irgendwie.

 Durch unseren neuen Bekanntschaften aus der Motorradszene in Hyderabad werden wir in Nagpur herzlich von dem dortigen Motorradclub willkommen geheißen. Wir werden zum Essen eingeladen, lernen ihre Familien kennen und organisieren uns ein Hotel. Von der Stadt sehen wir nicht all zu viel, denn am nächste Morgen nach einem leckeren Dosai Frühstück geht es auch schon weiter nach Jabalpur.

 Die Fahrt nach Jabalpur ist anstrengend, denn die Straßen sind schlecht. Zwar wird gerade überall viel gebaut und die Straßen neu geteert aber leider sind sie noch nicht fertig. Die Schlaglöcher sind übel, die indischen Fahrer leider auch. Vor allem die Truck- und Busfahrer sind schlimm. Die kennen keine Gnade auf den Straßen. Überholmanvöer werden immer ausgeführt. Auf Straßenverhältnisse und Gegenverkehr wird keine Rücksicht genommen. Was Till schon ausgewichen ist geht auf keine Kuhhaut. Durch den Wald werden die Straßen noch schlechter und das Wetter leider auch. Es wird neblig, am Horizont zeichnen sich Gewitterwolken. Wir kommen gerade aus dem Wald rausgefahren, da öffnen sich die Schleusen. In Sekunden bilden sich Bäche an den Straßen. Wir stellen uns gleich unter und warten ab bis der Regenschauer nachlässt. Bis nach Jabalpur sind es noch gute 100 Kilometer. Wir ziehen vorsichtshalber unsere Warnwesten an und fahren weiter. Langsam und vorsichtig. An chillen und ausruhen ist in solchen Situationen nicht zu denken. Ich sitze hinten mit wachen Augen und bin genauso konzentriert wie Till, der fährt. Ich würde ihm manchmal so gern was abnehmen.

Müde und abgeschlagen kommen wir in Jabalpur an. Ich bin dankbar, dass uns Till sicher ans Ziel gebracht hat.

 Wenn wir in einer uns unbekannten Stadt ankommen, recherchieren wir übers Internet, was die Stadt sehenswertes zu bieten hat. Wenige Kilometer von Jabalpur liegt Bheraghat, ein kleines Dorf mit einem Wasserfall und einem Jogi-Tempel, der größte seiner Art. Ja, wir sehen schon viele Tempel, aber das besondere an ihm ist, dass es den Göttinnen gewidmet ist und die Göttinnenstatuen im Kreis um den Tempel stehen. Die Stimmung war einzigartig oben in diesem Tempel.

 Da wir schon am Recherchieren über die Sehenswürdigkeiten im Umkreis waren, entdeckt Till, dass es noch weitere Wasserfälle gibt. Auf dem Weg nach Varanasi wollen wir bei den Wasserfällen vorbeifahren. Gesagt getan.

 Wir fahren mitten durch die Pampa, fahren an viel Landwirtschaft und Bauern vorbei. Die Gegend ist wunderschön und SAUBER!! Wir sehen Flüsse, an deren Ufer kein Plastikmüll liegt und auch nicht im Wasser. Die Dörfer sind sauber, weil die Menschen da noch so ursprünglich leben.

 Bei den Purva Falls angekommen haut es uns fast von den Latschen. Hier entdecken wir eine ganz neue Seite Indiens. Vor uns erstreckt sich ein riesiger Canyon. Er ist so mächtig groß dass ich ganz wacklige Beine kriegen. Wir sind so überrascht und staunen. Wir sind die einzigen Touristen hier. Die Menschen in den Dörfern sehen uns mit weiten Augen an. Hier sehen wir das ländliche Indien. Viel Landwirtschaft, einfache Hütten, getrockneter Kuhdung in Hülle und Fülle. Die Straße endet auch plötzlich vor einem alten Mann mit seiner Kuh. Das wars, hier enden die Straßen. Till versucht noch ein bisschen offroad weiter zu fahren, aber es geht einfach nicht mehr. Wir müssen einen anderen Weg auf die Hauptstraße finden. Dieser Weg geht mitten durch die Prerrie. Hier fährt kein Tourist durch. Till genießt die Fahrt auf Schotterpisten. Das Ziel nach Varanasie zu kommen ist passee. Wir kommen bei Dunkelheit in Allahabad an. Die Straßen sind übervoll mit Menschen und Ständen. Von der Ruhe des Landes in geschäftiges Treiben. Auch das ist Indien.

In Allahabad treffen zwei, für Inder, heilige Flüsse zusammen. Yamuna und Ganges. An der Mündung dieser beiden Flüsse fand gerade, als wir da waren, das alljährliche Festival der beiden Flüsse statt. Millionen von Pilgern treffen sich am Ufer, zelten dort und beten gemeinsam. Der Anblick der Zeltmassen war gigantisch.

 Wir fahren am Ganges entlang zur heiligste und ältesten Stadt der Hindus. Varanasi. Es gibt viele unterschiedliche Meinungen zu dieser Stadt. Die einen verabscheuen sie, die andere lieben sie. Varanasi gilt als Stadt des Gottes Shiva. Strenggläubige Hindus streben es an im Ganges in Varanasi zu baden, sowie dort zu sterben und verbrannt zu werden. Entlang des Ganges ziehen sich Kilometerweit die Ghats (= Stufen zum Fluss), an denen tägliche Waschungen und Verbrennungen stattfinden. Wir kommen erst einmal mitten im Gewusel an. Wir haben Glück. Das erste Gueshouse, das ich mir ansehe hat ein sauberes Zimmer, gute Lage und einen Stellplatz für das Moped. Was in den kleinen Gassen nicht selbstverständlich ist. Meine Bange, dass Till mit dem Motorrad nicht durch die Gassen kommt, hat sich niedergeschlagen. Till kann so einiges fahren. Auch in den schmalsten Gassen Varanasis. Wir kommen pünktlich zur abendlichen Putja (= Gebet, Zeremonie) am Main Ghat am Ganges. Die Stimmung ist sagenhaft. Der leichte Nebel, die Priester, der Weihrauch, die Gesänge, die Menschen, die Zeremonie, die Muschelklänge, die Requisiten. Einfach toll. Wir sind in Varanasi.

Varanasi ist voll mit Menschen, Kühen, Ziegen, Ratten, Wieseln und all ihren Ausscheidungen jeglicher Art. Sie soll die dreckigste Stadt Indiens sein. Joa, das könnte sie. Wenn man durch die Gassen läuft muss man schon sehr aufpassen, worauf man trifft. An einigen Stellen riecht es streng, an anderen Stellen noch strenger. Aber sie hat ihren eigenen Charme. Diese Stadt, die so übervoll mit Pilgern, Sadus, Touristen ist.

 Wir erkunden die Ghats am Ganges. Die Ghats haben verschiedene Namen und Abschnitte. Die Menschen baden im Ganges, waschen ihre Wäsche darin, putzen ihre Töpfe, bereiten damit ihr essen zu, trinken daraus. Gleichzeitig werden in dem Fluss die Toten verbrannt oder versenkt, Müll, Dreck und Abwässer fließen in den Fluss, aber für die Menschen ist es der Fluss des Lebens, der heiligste Fluss.

An den „fire ghats“ finden die Verbrennungen der Toten statt. Täglich werden 200 Menschen in Varanasi am Ganges verbrannt. Für einen Menschen werden 150 Kilogramm Holz benötigt und dauert bis zu 2,5 Stunden. Kinder, Schwangere, Tiere werden nicht verbrannt sondern mit Gewichten im Fluss versenkt. Ich hatte etwas Bammel diese „fire ghtas“ zu besuchen. Ich hatte Angst vor dem Geruch, vor dem was ich sehe. An den fire ghats geht es sehr friedlich, leise und ruhig zu. Die Menschen weinen nicht. Sie baden ihre Toten das letzte Mal im Ganges und verbrennen sie anschließend. Die Asche wird in den Ganges verstreut. Nur so wird der Kreislauf der Wiedergeburt durchbrochen. Die Feuerstellen sind am Abend von überall aus zu sehen. Der Rauch vermischt sich mit dem Nebel und wird mit der Stadt eins. Das ist Varanasi. Leben und Tod stehen so dicht beieinander.

Am letzten Tag gehen wir aus dem Hotel raus und wen treffen wir: Alex aus Bonn. Wir haben ihn mit seinem Fahrrad in Lahore in Pakistan getroffen und sind voller Freude ihn wieder zu sehen. Er berichtet aus seiner Fahrt von Nepal und weckt die Vorfreude in uns.

 200 Kilometer von Varanasi liegt Bodhgaya. Leider waren auf dieser Fahrt mehr Idioten auf den Straßen als sonst unterwegs. Till flucht und ist nur am ausweichen. Die buddhistische Gelassenheit kann ihn am Ende des Tages nur sehr spät erreichen. Erst vor wenigen Tagen war der Dalai Lama hier zu Besuch. Bodhgaya heißt wörtlich übersetzt „Ort der Erleuchtung“. Hier hat Siddharta Gautama (= Buddha) unter einer Pappel-Feige seine Erleuchtung erlangt. Für die Buddhisten befindet sich hier einer der heiligsten Stätte, der Mahabodhi-Tempel, wo der Mahabodhi wächst, der ein Abkömmling jenes Baumes ist. Auch eine wunderschöne hohe Buddhastatue befindet sich in Bodhgaya. Wir schlendern durch die Tempelanlage und sitzen im Schatten der Pappel-Feige., an der auch einst Buddha saß. Sagenhaftes Gefühl. Viele Pilger kommen hierher und beten. Es ist wirklich schön hier.

Wie geht es weiter mit uns? Wie sehen unsere Pläne aus? Wir sind schon seit 2,5 Monaten in Indien. Das Zeitgefühl hat sich verändert. Sie rast. Bald läuft das Visum ab. Wohin dann? Doch über Myanmar nach Thailand? Nepal? Nord-Osten Indiens?

Wir sind sehr gut im „spontan-entscheiden“. Wir kehren Bodhgaya den Rücken und fahren nach Norden. Die Fahrt führt mitten durch das Land und viele belebte Städte. Ganz arg beliebt bei uns sind die Wartezeiten an Bahnschranken. Da können wir nie glauben was wir sehen. Die Schranken sind zwar unten aber das stört hier weder Fußgänger noch Radfahrer noch Motorradfahrer. Alle krabbeln unter die Schranken hindurch. Das Fuhrwerk natürlich auch. Die Straße wird voll blockiert. Sobald die Schranken nach oben gehen beginnt die Schlacht um die Weiterfahrt. Es wird gerempelt und gedrückt. Wer da stehen bleibt hat verloren. Till zwängt sich gut hindurch. Die Kisten berühren zwar hin und da den ein oder andren Rikscha- oder Mopedfahrer aber das stört hier ebenso niemanden. Wer sich das mal live geben möchte muss unbedingt nach Indien :)

Irgendwo kommen wir in irgendeiner Stadt an. Das Wetter hat sich gebessert. Der diesige Nebel verschwindet, die Sonne strahlt. Das tut gut.

Hallo Tee Land. Hallo Ananas Land. Der Norden heißt uns mit Tee- und Ananasplantagen soweit das Auge reicht willkommen. Es sieht so schön aus. Wir sind kurz vor Darjeeling und der Tee wächst hier schon in Hülle und Fülle. Heute war mal ein guter Tag zum Fahren. Geteerte Straßen die ganze Strecke über. Man mag es kaum glauben. Die Landschaft verändert sich mit jedem Kilometer. Auch die Gesichter der Menschen. Man hat das Gefühl näher nach Asien zu kommen. Die Menschen sind hier auch viel relaxter. Gaffen nicht so. Lassen uns beim Essen auch mal in Ruhe. Das gefällt uns. Wir fühlen uns wohl im hier. Rechts von uns Nepal. Links von uns Bangladesch. Wir mittendrin. Das ist ein gutes Gefühl. Wir sind in Siliguru angekommen. Nur wenige Kilometer von Darjeeling entfernt, jedoch wollten wir die Fahrt durch die Berge kurz vor Sonnenuntergang nicht mehr riskieren. Vielleicht morgen? Oder rüber in den Osten? Wir sind spontan.

Hallo wunderschönes Indien. Hallo wunderschöner Osten Indiens. Wie facettenreich Indien ist erleben wir von Tag zu Tag mehr. Die Fahrt gen Osten war heute einfach der Hammer. Hier spürt und sieht man den Übergang zu Asien: An den Gesichtern, an den Häusern, an der Landschaft, an der Kleidung, an dem Lächeln. Wir genießen die Fahrt auf unserer treuen Maschine, die uns geschmeidig durch das Land bringt. Buthan ist so nah und doch so fern für uns. Das Tagesvisum!!! würde uns 250 Euro pro Person kosten. Es ist einfach zu teuer. Myanmar liegt vor uns, aber die 10 Tagestour kostet uns 1100 Euro pro Person. Es ist verlixt. Thailand setzt dem allem noch die Krone auf mit dem neuen overlander Gesetzt und so bleiben uns die Tore nach Südostasien mit unserer Maschine erst einmal verschlossen. Darum genießen wir den Osten Indiens, der den Hauch von Buthan und Myanmar in sich hat. Heute sind wir in Guwahati angekommen und ich freue ich schon auf lecker Streetfood essen. Wir lieben Streetfood. Und wir probieren auch alle aus. Jammy :)

Ab nach Shillong. Ab in den Bundesstaat Meghalaya. Hier endet nun Indien völlig. Warum? Hier kommt der Grund:

Es geht erst mal gut hinauf auf das Shillong Plateu. Shillong ist die Hauptstadt von Meghalaya. Der Nordosten Indiens hat sieben Bundesländer, die auch „the seven sisters“ genannt werden. Jedes dieser Bundesländer hat seine Besonderheit in Kultur, Sprache, Landschaft, Aussehen und Tribes.

In Shillong angekommen kommt uns irgendetwas faul vor. Wir grübeln an was es liegt und dann kommt es uns: es herrscht geordneter Verkehr, die Verkehrsregeln werden eingehalten, es wird kaum gehupt, die Polizei regelt den Verkehr, wird respektiert und hat streng gebügelte Uniform an, vermehrt sind Frauen zu sehen, die wie die Männer, Betelnuss kauen, Jugendliche mit Irokesenschnitt und modernen Klamotten, kein Plastikmüll am Straßenrand, saubere Straßen und Häuser. Was ist hier los? Wo sind wir hier? Ist das noch Indien?

Wir finden ein schönes Guesthouse mit freundlichen Gastgebern mitten in der Stadt und kommen ins Gespräch. In Meghalaya lebt die Volksgruppe der Khasi. Hier erbt die jüngste Tochter alles und die Frau ist das Oberhaupt der Familie. Daher gibt es in Shilliong auch den Bazar, in dem nur Frauen verkaufen. Das Männer ihre rote Betelnusspaste in aller Öffentlichkeit überall hinrotzen und mit vollem roten Mund mit einem sprechen, daran habe ich mich gewöhnt. Das die Frauen hier aber auch die Betelnuss kauen ist ein ungewohntes Bild. Aber ok, warum nicht. Die Küche wird wieder fleischig. Am Abend werde ich zum glücklichsten Menschen, es gibt „Mama-Essen“ mitten in Indien: Reis und Adubbu (= kross frittiertes Schweinefleisch). Ich fasse es nicht. Es schmeckt fantastisch, wie daheim bei Mama. Ich bin hin und weg. Wir schauen uns in dem kleinen Restaurant um. Frauen, die mit ihren Freundinnen oder weiblichen Familienmitgliedern essen gehen. Till ist der einzige Mann in dem Restaurant. Chefin ist eine Frau. Hammer.

Meghalaya – many huhes of nature. Am nächsten Morgen wollen wir das Motorrad mal ohne Gepäck fahren und machen einen Ausflug die unberührte Natur zu entdecken. Wir machen einen Ausflug. Fühlt sich gut an so ohne Gepäck. Sportlicher. Es geht an die Grenze zu Bangladesch nach Cherrapunji mit seinen berühmten Nohkalikai Wasserfällen. In der Regenzeit muss es noch beeindruckender sein als jetzt mit wenig Wasser. Die Fahrt selbst war schon beeindruckend genug. Auf dem Bergkamm fahrend und rechts und links den tiefen grünen Canyon sehen. Hammer. Wir genießen den Ausflug und fahren gemütlich zum Abend wieder nach Shillong.

 Im Hotelzimmer, kurz vor dem Abendessen, bebt plötzlich die Erde. Ein Erdbeben. Wir schauen uns an. Nur ganz kurz aber es war da. Wir schauen aus dem Fenster. Die Menschen schauen sich kurz verwundert an, aber der Trubel nimmt weiter seinen Gang. Nur kurz davor berichtet uns der Hotelier von dem schlimmen Erdbeben vor ein paar Jahren, dass es in Shillong gegeben hat. Gruselig. Dennoch genießen wir ein traditionelles Khasi Essen: pork balls, Schweinekottlet, gekochtes Schweinefleisch und Reis ähnlich wie Risotto. Fantastisch lecker. Auch hier wieder die Frau führt das Geschäft. Müde und mit neuen Eindrücken im Kopf schlafen wir selig ein. Ohne weiter Beben. Puh!

Unser Plan mal früh loszufahren löst sich wieder mal in Luft auf. Aber nicht schlimm. Diesmal entscheide ich die Route. Es geht: mittendurch. Auf der Karte sehe ich, dass aus der weißen Straßen, die sowieso schon klein ist, eine hellgraue Straße wird. Mhh..denke ich mir. Till fährt gerne mittendurch und kann auch alles fahren, was hellgrau bedeutet finden wir dann schon heraus. Auf dem Weg machen wir halt bei dem Monolithen Garden irgendwo im nirgendwo und fahren danach kurvig durch den Dschungel. Die Vegetation verändert sich sichtbar. Auch die Straßen, denn jetzt wissen wir auch was hellgrau bedeutet: Schotter im Dschungel. Tills Spezialität. Die Fahrt ist der Oberhammer. Uns gefällt es sehr. Hier ist einfach nur Natur. Kein Verkehr, keine Menschen, einfach mal Ruhe! Wann war es in Indien das letzte Mal so ruhig?! Ein Genuss für unsere Ohren.

Irgendwo während der Fahrt passieren wir das Bundesland Assam. Natürlich schaffen wir es in dem Tempo nicht mehr auf die große Straße und entscheiden uns kurzerhand im nächsten Dschungeldorf zu nächtigen. Ist gar nicht so leicht. Man muss sich nämlich erst bei dem örtlichen destrict commisioner melden und um Erlaubnis fragen als Tourist in dem Dorf übernachten zu dürfen. Anschließend geht es zum police commisioner, der Passkontrolle macht und uns einträgt. Das dauert. Ich, hungrig, muss zusehen, wie der police commisioner in aller Seelenruhe die Pässe abschreibt. Da morgen auch noch „Repbulic Day of India“ ist dürfen wir den Destrict aus Sicherheitsgründen nicht ohne Eskorte verlassen. Dafür dürfen wir aber in dem Dorf übernachten. Wir kriegen bis dato das größte Zimmer in einem Guesthouse auf dem Bergrücken und besuchen morgen in der Frühe die Festlichkeiten in der Stadt bevor es weitergeht. Wir sind schon ganz gespannt und freuen uns darauf.

Um 9 Uhr werde wir von unserer Security abgeholt und erst einmal zu den Festlichkeiten des „Republic Day of India“ begleitet. Wir sitzen in der zweiten Reihe direkt hinter den wichtigen Männern und dürfen die traditionelle Tänzen und Klängen bestaunen. Den Bambustanz gibt es auch auf den Philippinen. Ich bin sprachlos. Alles ist irgendwie miteinander verbunden oder hat Beziehungen zu Asien. Natürlich sind wir in diesem kleinen Dorf mit dem Motorrad eine Attraktion an sich. Das ganze Dorf will Fotos mit uns machen und ins Fernsehen kommen wir auch noch. Alle sind freundlich und nett und wünschen sich, dass wir bald wieder kommen. Wir sind immer herzlich willkommen.

Dann geht es auf Schotterpisten wieder durch den Dschungel. Hinter uns ein Auto voll mit bewaffneten Polizisten. Der Chief Master erklärt uns, dass es in Assam 35 Destircte gibt. In dem Destrikt wo wir uns gerade befinden leben 3 Rebellen Gruppen im Dschungel, die für ihre Unabhänigkeit kämpfen. Daher werden wir auch von den Polizisten begleitet. Die Rebellen wollen den „Republic Day of India“ boykottieren und allein in Assam gab es heute 7 Bombenanschläge. Die Gegend ist zwar unter Kontrolle aber sicher ist sicher. Wir hören aufmerksam zu und halten inne. Der Nord-Osten Indiens ist, für uns, der schönste Teil Indiens und gleichzeitig der gefährlichste. Es kommen sehr selten Touristen in diese Gegend aufgrund solcher Vorkommnisse. Wir haben uns noch nie unsicher auf unserer Reise gefühlt, selbst nicht, als wir dann mit den Polizisten weiterfahren. Mein Herz schmerzt. Wieso kann es keinen Weltfrieden geben. Wieso nicht. Die Welt ist so schön und die meisten Menschen auf der Welt sind gute Menschen.

Wir haben eine tolle Fahrt durch den Dschungel. Unten angekommen gibt es wieder Reisfelder, Landwirtschaft und die berühmten Teeplantagen Assams. Wir bedanken uns bei unserer Polizei-Eskorte und wünschen ihnen alles Gute und eine friedliche Zeit.

Unser Ziel heute ist Kaziranga. Ein Nationalpark am Brahmaputra berühmt für seine einhornigen Nashörner und Tiger. In Assam treffen wir auf ganz neue Verkehrsteilnehmer: Elefanten, die als Nutztiere gehalten werden. Sie laufen königlich über die Straßen. Morgen um 7 Uhr in der Frühe geht es mit einem Jeep in den Nationalpark. Jippy.

Kaziranga Nationalpark. Wir hatten zu Beginn der Fahrt geglaubt, dass es Glücksache wäre die einhörnigen Nashörner zu sehen. Entweder wir hatten viel Glück oder die Nashörner sind die Jeep-Safari-Touristen gewöhnt. Jedenfalls haben wir aus der Ferne und mit 3 Meter Abstand die schönen prächtigen Tiere vor der Linse. Sagenhaft. Es ist schön zu sehen, dass sich diese seltenen Tiere in dem Park wohlfühlen und vermehren. Über 2000 einhörnige Nashörner sind in diesem Nationalpark. Wahnsinn. Auch ein paar Tiger, die wir leider nicht gesehen, leben in diesem Park. Nach 3 Stunden waren wir auch schon wieder im Hotel und hatten den ganzen Tag noch vor uns. Das bedeutet für uns natürlich rauf auf das Motorrad und weiter geht’s. Wir fahren auf die Majuli Islands. Majuli ist eine Flussinsel in Assam. Neues Abenteuer für uns: Fähren auf indisch. Wahnsinn. So was muss man mal gesehen haben. Die kleinen Schifflein werden bis oben hin beladen. Auf Holzbrettern fahren die Autos drauf und auf dem Dach werden die Mopeds und die Motorräder geparkt. Aber nicht nur das. Auch Ware und Ladung wird auf das Dach gebracht. Die Männer tragen die schweren Säcke auf das Schiff. Dann kommen noch die Passangiere. Am Ende ist alles so voll beladen, dass man kaum stehen kann und da wollen wir drauf um auf die Inseln zu kommen. Ich hätte ehrlich nicht gedacht, dass wir noch auf das Dach kommen, aber Till packt es ohne mit der Wimper zu zucken. Selbst die Inder staunen nicht schlecht. Ich konnte fast nicht hinsehen, wie Till das Mostrum auf den schmalen Holzbrettern auf das Dach des schon übervollen Schiffes fährt. Hier zeigt sich wieder: in Indien ist alles möglich, wenn man es will.

Nach der 45 Minuten Fahrt mit wunderschönen Sonnenuntergang auf dem Wasser kommen wir auf den Majuli Islands an. Es wird schon dunkel da kommt noch die letzte Überraschung des Tages auf uns zu. Sand! Oh wie ich Sand liebe. Das Gefühl auf Sand zu fahren ist seltsam. Es fühlt sich nicht richtig an. Bis zum Festland müssen wir einige Kilometer auf feinem weichen Sand fahren. Der Spruch „Augen zu und durch“ passt dazu leider gar nicht, denn ich kann da ganz bestimmt nicht meine Augen zu halten. Till fährt tapfer durch den Sand. Wir holpern, rutschen, fangen uns wieder. Es ist wahrlich eine Kunst auf Sand zu fahren. Ich weiß nicht wie Till das macht noch am Ende eines langes Tages (plus Erkältung) solche Fahrten zu vollziehen, aber er tut es. Was war ich dankbar und froh, als wir endlich festen Boden unter den Reifen hatten. Die Straßen auf Majuli sind zwar nicht der Hit, aber ich bevorzuge doch Schotterpisten als Sand. Ganz klar. Wir finden ein Bamboo Cottages und haben ein süßes Bambus Hüttchen für uns. Die nächsten Tage freuen wir uns auf Majuli.

Die Schlafsäcke haben sich auf dieser Reise schon mehr als gelohnt. Die Tage sind zwar schön warm aber in der Nacht und in einer Bambus Hütte wird es dann doch sehr frisch. Till spannt die Hängematten auf und so hängen wir heute einfach mal nur rum. Auch schön. Bambus Hütte direkt am See, ein kleiner Spaziergang im Dorf. Nice.

Uns gefällt es einfach zu sehr auf Majuli. So schön ruhig, gediegene Menschen, schöne Landschaft, alles ganz einfach, duschen aus dem Eimer. Wir machen ein paar Kleinigkeiten am Motorrad und erkunden ein wenig die Insel. Es lohnt sich nach Assam zu fahren. Wir lieben den Nord-Osten Indiens immer mehr. Hier gefällt es uns.

Auch wenn wir mehr Tage auf der Insel bleiben wollen, wir müssen weiter um noch ein paar Dörfer in Arunachal Pradesh zu besuchen. So war der Plan. Aber Pläne können sich schnell mal ändern.

Wir sind wieder on the road. Nach drei Tagen im Bamboo Cottages, gutem Essen und netten Leuten. Wenn man mit dem Boot auf eine Insel gekommen ist, muss man auch wieder mit auf einem Boot runter von der Insel. Das mit der Sandfahrt auf der Hinfahrt hat mir gereicht. Till fährt, ich laufe. Das Boot war diesmal noch viel kleiner, aber dafür die Überfahrt auch kürzer. Zeitlich waren wir super im Plan. Wir kommen am Nachmittag zur Grenze von Assam und Arunachal Pradesh. Wir haben gewusst, dass man für einige Länder im Nord-Osten Indiens eine extra Genehmigung als Tourist braucht. Wir waren im Glauben, dass unsere Visa für Indien auch Arunachal Pradesh miteingeschlossen hatten. Pustekuchen. Der Beamte an der Grenze will von uns eine extra Genehmigung, eine „inner permit“ sehen. Nur mit dieser Genehmigung dürfen wir in Arunachal Pradesh einreisen. Unser Ziel für heute wäre Ziro gewesen. Wir hatten dieses inner permit leider nicht. Wir sollen zurück zur nächsten Stadt fahren, da würden wir diese paper kriegen. Also wieder 20 km zurück. Dann erst einmal durch die Stadt und die richtige Behörde finden. Ist ein Abenteuer für sich. Aber die Leute sind hilfsbereit und so finden wir die richtige Person, die uns leider nicht helfen kann. Diese Sondergenehmigung für Arunachal Pradesh kriegen wir hier, wir müssen an die andere Grenzstadt fahren, dort würden wir es kriegen. Also 45 km zur nächsten Grenzstadt. Unser Ziel Ziro können wir knicken. Das wissen wir. Wir fahren voller Hoffnung, das Permit auf dem Weg zur Hauptstadt von Arunachal Pradesh zu kriegen. Wir kommen natürlich gegen Abend an und eine Grenzstadt bleibt Grenzstadt. Es ist voll, laut, übler Verkehr, viele Menschen, es ist dreckig und in dem Gewusel den richtigen Mann zu finden bedeutet kühlen Kopf bewahren. Hier finden wir heraus, dass das Permit nur in drei Städten in Indien ausgestellt werden kann: Guwahati (350 km), Kulkatta (noch viel viel weiter) und Dehli (Hauptstadt). Prima. Zudem finden wir heraus, dass wir für das inner permit pro Person 75 Dollar blechen müssen und wir müsste noch zwei Tage warten. Wir staunen nicht schlecht. 150 Dollar für eine Genehmigung, dass wir nach Arunachal Pradesh fahren dürfen und zwei Tage Wartezeit in diesem Loch. Nein Danke. Wir sind zwar sehr traurig darüber, denn einige Dörfer, Tribes und vor allem die Landschaft hätte uns sehr gereizt zu sehen. Unsere Unterkunft im nächsten Kaff, wir wollten nicht in dieser Grenzstadt bleiben, wäre keinen Penny wert gewesen, aber ein bessere Zimmer konnten wir bei der Dunkelheit nicht mehr finden. Dafür dürfen wir das Motorrad in der Garage parken. Müde, traurig und wenig enttäuscht schlafen wir irgendwie doch noch in dieser Absteige ein.

Was nun?! Wir haben die letzten Tage vor Visumsablauf so getacktet, dass wir mit Arunachal Pradesh eine Punktlandung gemacht hätten. Wir planen eigentlich nicht viel, aber da haben wir mal was geplant und schon klappt es nicht. Aber es nützt alles nichts. Hätte Hätte Fahrradkette. Darüber zu grübeln was wir besser hätten machen können ist Zeitverschwendung. In aller Frühe ziehen wir weiter und fahren und fahren. Die Straßen sind mal gut, mal schlecht. Mit dem Smog und dem vielen Staub in der Luft kommt es uns vor, dass die Sonne schon um 16 Uhr untergeht. Noch 10 Tage Indien, dann müssen wir raus aus dem Land. Wir sind on the way to Sikkim. Dafür haben wir das permit definitiv. Vielleicht eins zur Erklärung. Einige Länder im Nord-Osten Indiens benötigen eine Sondergenehmigung, da diese Länder an China grenzen. Dazu gehören Arunachal Pradesh und Sikkim. Für Sikkim haben wir eine Genehmigung, die bereits in unserem Visum eingetragen ist. Jetzt heißt es zwei Tage durchfahren und Strecke machen. Diese Fahrten sind echt anstrengend. Wir sind nach solchen Tagen immer froh, wenn wir im Bett liegen.