November


 Wir nehmen langsam Abschied vom Norden und fahren von Skardu auf den Karakourum Highway Richtung Süden. Mit jedem Kilometer wird es wärmer. Ich taue auf. Die Strecke ist echt sagenhaft. Auf dem Weg treffen wir den ersten Fahrradfahrer. Ein Engländer auf dem Weg nach Hong Kong mit dem Fahrrad. Wow. Ich ziehe meinen Hut.

In Chilas nehmen wir uns ein Hotel mit hot water. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was für ein sagenhaftes Gefühl das ist, heiß zu duschen. Ich bin ein neuer Mensch.

 Man nächsten Morgen geht es weiter Richtung Süden. Till macht eine ganz besondere Fahrt über den Indus. Er steigt in eine Gondel (Seilbahn), die quer über den Fluss zum andern Tal führt. Ich schaue nur zu. Die Gondel sieht nicht wirklich einladend aus, aber das ist ein ganz normaler Personentransporter über den Fluss. Ich bin froh, als Till wieder auf meiner Seite aussteigt.

 Leider dürfen wir die letzten Kilometer bis nach Besham nicht ohne Eskorte fahren. Weshalb auch immer. Aber die Straßen waren hervorragend. Die Chinesen arbeiten sehr fleißig daran. Diese Strecke war heute teilweise ziemlich abgefahren, weil es rechts soo steil nach unten ging wie noch nie zuvor. Gruselig.

Wir sind von den Bergen wieder runter. Die 200 Kilometer Strecke von Besham nach Islamabad hat regnersich angefangen und nach 8 Stunden Fahrt sind wir angekommen. Die Fahrt war anstrengend und die letzten Kilometer haben sich einfach nur noch gezogen. Bevölkerungsdichte, Verkehr, Temperatur und Mosquitos sind wieder angestiegen. Bei Dunkelheit ist es alles noch anstrengender und so waren wir mega happy, als wir in Islamabad bei unserem ersten Couchsurfer angekommen sind. Arsal hat und ganz herzlich aufgenommen. Wir haben die nächsten Tage schön ausgeschlafen und seine Familie auf dem Weg nach Lahore besucht. Dafür sind wir sehr dankbar.

Dieser Teil von Pakistan unterscheidet sich so sehr vom Norden Pakistans. Man findet Werane im Badzimmer und hat am nächsten Morgen ein Streuselgesicht, weil die Mosquitos zugeschlagen haben. Willkommen Autan Mückenspray. Ich werde dich die nächsten Monate trinken müssen :)

Wir sind jetzt in Lahore angekommen und verabschieden uns langsam von Pakistan. Lahore ist die Grenzstadt zu Indien. Hier wollen wir ein paar Tage verbringen, denn der Präsident des hiesigen Motorradclubs hat uns eingeladen. Sie bereiten ein kleines Deutsch-Pakistanisches-Willkommensfest vor und wollen uns die Stadt zeigen. Wir sind gespannt.

Fantastic pictures. Fantastic evening. Ein Hoch auf den Motorrad Club Lahore. Was sie für uns auf die Beine gestellt haben war grandios. So viel Gastfreundschaft und Herzlichkeit, Spaß und Freude, Musik und Tanz. Für Marc und Petra, einem Motorbikerpaar aus der Schweiz und uns wurde eine sigthseeing bus tour organisiert und ein fantastisches dinner gab es obendrauf. Wir sind so dankbar dafür.

Am nächsten Morgen machen wir uns auf Lahore auf eigene Faust mit dem TukTuk zu erkunden. Der Verkehr kommt einem im TukTuk noch heftiger vor. Aber es geht immer alles gut. Das Ford, die food street und die Moschee sind Hauptaktratktionen der Stadt. Mit unserem eigenen Guide erfahren wir die historischen Hintergründe der Sehenswürdigkeiten. Einfach toll.

Heute nehmen wir richtig Abschied von Pakistan. Schweren Herzens packen wir unsere Sachen um weiterzuziehen nach Indien. Die Grenzübergang ist nur wenige Kilometer entfernt. Nach einem wunderschönen Abendessen mit den bikers und einem Besuch in der heiligen Stätte der Sufis, die mit ihrem Trommelspiel die gläubigen Tänzer in Trance versetzen, lassen wir die letzten Stunden in Pakistan ausklingen und blicken auf einen wundervollen Monat zurück. Wir sind dankbar und glücklich, dass wir dieses schöne Land bereisen durften. „Sich immer seine Meinung selbst bilden und sich einlassen auf das Neue und Unbekannte“. Das ist mir in den letzten Wochen sehr bewusst geworden. Danke Pakistan.

 Was macht Pakistan für mich aus?

  1. Menschen zeigen uns "Daumen hoch"
  2. Lächelnde Gesichter

  3. Erschrockene fast entsetzte Kindergesichter wenn wir an ihnen vorbeifahren

  4. Ziegen, Schafe, Kühe, Yaks auf den Straßen

  5. Beschmückte mit Zimblen und Glöckchen behangene und überladene LKWs

  6. Überholmanöver im Überholmanöver

  7. „Ja wir haben Licht an und das ist auch gut so“ (Till O-Ton)

  8. Hunza Valley

  9. Skardu Valley

  10. Upper Kachura Lake

  11. KKH

  12. Indus

  13. Nanga Parbat

  14. Chili Frühstück

  15. Chai mit Milch und ganz viel Zucker

  16. Polizeieskorte

Unsere bisher gefahrene Strecke: Deutschland, Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien,Türkei, Iran und Pakistan.

Kilometerstand bei Landeinreise:

Start in Bad Mergentheim: 106173 km

Österreich: 107177 km

Ungarn: 107688 km

Rumänien: 108380 km

Bulgarien: 109705 km

Türkei: 110170 km

Iran: 113286 km

Pakistan: 118080 km

Indien: 122970 km

Namaste Indien. Es tröpfelt ein bisschen als wir losfahren. Der lang ersehnte Regen kommt über Lahore und spült den schlimmen Smog weg. Man kann endlich wieder was sehen und durchatmen.

Die Ausreise verläuft problemlos und herzlich. Nochmals hören wir „welcome to pakistan and visit us again“. Wie schön das zu hören.

In 20 Minuten ausgereist und 2 Stunden nach Indien eingereist. Die Inder schicken Till mal hier mal da hin. Leibesvesite, Motorradcheck, Gepäckcheck. Das volle Programm. Lange Zeit warten wir einfach auch nur auf einen Stempel. Das dauert. Endlich haben wir unser Carnet Stempel, das Gepäck wurde durchleuchtet und für ok befunden und wir sind in Indien.

 Wir packen gerade unser Motorrad als uns ein bayrischer Gruß entgegenkommt. Bernhard aus Bayern mit seiner Royel Enfield aus Nepal Richtung Heimat. Er kam leider 5 Minuten zu spät und durfte nicht mehr ausreisen. Daher fahren wir gemeinsam nach Amritsar in ein Hotel und verbringen einen witzigen ersten Abend mit indischem Essen und Tiroler Knackwürsteln in Indien.

 Amritsar ist für die Sikhs ein heiliger Ort. Der goldene Palast ihr Tempel. Sehr beeindruckend bei Nacht. Von unseren Familien haben wir noch in Pakistan erfahren, dass die Inder über Nacht die 500 Rupien- und 1000 Rupienscheine aus dem Verkehr genommen haben um der Schwarzgeldkriminalität entgegenzuwirken. Ein Land, das vom Bargeldgeschäft lebt ein harter Schlag. Auch für uns. Die Banken haben kein Geld. Die Menschen sind aufgebracht. Wir können nichts abheben, nichts wechseln. Da tauchen plötzlich viele Probleme auf. Wie Hotel bezahlen, wie essen, wie trinken, wie tanken. Bernhard lädt uns am ersten Abend zum Essen ein, aber am nächsten Tag müssen wir an Geld rankommen.

Bernhard zieht weiter nach Pakistan. War sehr schön dich kennenzulernen. Jetzt müssen wir das Geldproblem lösen. An den Banken rangeln sich die Menschenmassen. Wir können die Banken vergessen. Wir haben noch ein paar Euros und Dollars und versuchen unser Glück in den Hotels. Zum Vergleich, das eine Hotel hätte uns 20 Euro Verlust gekostet, das andere zum Glück nur 3 Euro. Das Hotel können wir noch in Dollar bezahlen und so fahren wir mit ein bisschen Geld in der Tasche Richtung Dharamsala in die Berge zum Dalai Lama.

 Meine erste Fahrt durch Indien. Till war genau vor 10 Jahren hier und hat hier auch Motorradfahren gelernt. Die Berge sehen tropisch aus. Alles grün, hohe Bäume, Papageie und Affen in den Bäumen, indische Frauen in ihren schönen Saris, Frauen, die Motorrad fahren, Dabahas (indische Kleinküchen am Straßenrand), neue Gerüche, neue Landschaft, Tempel, Gläubige, Weihrauchgeruch. Die Straßen sind gut, dennoch brauchen wir den ganzen Tag von Amritsar nach McLoedganj, der Exilstadt des Dalai Lamas. Ein süßes Örtchen in den Bergen. Die Anfänge des Himalayas sind zu sehen. Gigantisch. Wir finden ein tolles Hotel mit super Aussicht.

 Am nächsten Tag machen wir eine Trekkingtour. Es gefällt mir wirklich sehr. Die Gebetsfahnen, wie sie in den Bäumen hängen. Wenn man die Augen schließt kann man hören, wie sie im Wind flattern und ihre Gebete in die Welt tragen. Mcloedganj ist der Heimatort von vielen Exiltibetern und dem Dalai Lama, die von ihrem Heimatland Tibet flüchten mussten. Daher leben hier auch überwiegend Tibeter. Die Trekkingtour ging nur bergauf, aber die Aussicht von oben entschädigt alles. Am nächsten Morgen besuchen wir den Tempel des Dalai Lamas. Hier wohnt und lehrt er. Wir haben ihn zwar leider nicht getroffen, aber man spürt seine Anwesenheit und die Energie, die von diesem Ort ausgeht. Sagenhaft.

Till will seinen Geburtstag in Kasol verbringen. Einem kleinen Bergdorf Richtung Manali, wo er vor 10 Jahren ein paar relaxte Tage verbracht hatte. Die Strecke von Mcloedganj ist kurvenreich und wir schaffen die Strecke leider nicht an einem Tag. So feiern wir Tills Geburtstag irgendwo im nirgendwo rein und fahren am nächsten Tag bei schönstem Sonnenschein die letzten Kilometer bis nach Kasol. Unsere Masche, die wir in Marokko ziemlich oft angewendet hatten, funktioniert auch hier prima: Ankommen, Tee trinken, mit den Leuten ins Gespräch kommen und den besten Schlafspot herausfinden. So kommt es, dass wir beim Chai trinken einem Aussteiger begegnen, der uns einen super Guest House Tipp gibt. Das Guest House wird von einer lieben Familie geführt, hat einen großen Garten, süße Zimmer und jetzt kommt das Beste, seinen eigenen „hot spring“. Kosol und Umgebung sind bekannt für ihre natürlichen heißen Quellen. Viele Touristen kommen nur wegen diesen hot springs hierher und das Guest House hat seinen eigenen Zugang. Fantastisch. An Tills Geburtstag machen wir eine kleine Trekkingtour, holen einen Geburtstagskuchen und gehen abends bei sternenklarem Himmel in die heiße Quelle. Happy Birthday mein Schatz. Es ist das schönste mit dir hier zu sein.

Tagsüber schön warm, nachts kalt. So ist das Leben in den Bergen zur Winterzeit. Wir haben Mitte November. Wir besuchen die nächstgelegene Stadt Manakaram mit ihren Tempeln und heißen Quellen. Sehr schön, wie die Städtchen in die Berge eingebunden sind.Wir genießen die Sonne tagsüber und abends die heißen Quellen, wir lassen es uns gut gehen, hängen in unseren Hängematten und hören ein Hörbuch. Was kann es schöneres geben. Faul sein ist wunderschön :)

 Von dem einem Bergtal ins Nächste. Es geht nach Vashisht, einem kleinen Nebenörtchen von Manali. Der Rotangpass befindet sich gleich in der Nähe und die Himalyagebirge haben hier ihren Anfang. Atemberaubend schön die schneebedeckten Berggipfel zu sehen. In Vashisht finden wir das bisher günstigste Zimmer. 4 Euro das Doppelzimmer mit Balkon und Aussicht. Was will man mehr...außer man erhält natürlich den Heißlüfter von den Nachbarn, die gerade wieder ihrer Wege ziehen. Supersache.

 Wir erkunden die Gegend zu Fuß. Till war hier schon von 10 Jahren und wir besuchen den nächstgelegenen Wasserfall. „Kennst du wirklich den Weg da rauf?“...“Klar“. Jaja. Von einer ruhigen Wanderung zum Wasserall wird ein geklettere steil durch das Gebüsch und durch den Wald. War ich froh wieder auf den richtigen Pfaden zu laufen, nachdem wir uns den Weg erahnt hatten. Ziegenwegchen sind wir entlang gelaufen und das bei ansteigender Höhe. Prima. Till und seine Pfade. Wir wurden natürlich belohnt mit einer tollen Aussicht und am Ende des Tages gab es ein verdientes leckeres tibetisches Essen. Lecker.

 Was Indien ausmacht sind die Tempel mit ihren verschiedenen Gottheiten. Die meisten Menschen sind Hindus und glauben an viele Götter. Da gibt es Shiva, Ganesh, Hanuman, Lakshmie und viele mehr. Jeder Gott steht für eine bestimmte Sache, die man anbeten kann. Die Zeremonien, die die Gläubigen hier in den Bergen tagtäglich abhalten sind für mich ganz neu anzusehen. Sie starten mit einer Zeremonie durch das Dorf mit Zimbeln und Blasinstrumten. In der Mitte tragen sie mit Weihrauch ihrer Gottesfigur zum Tempel. Dort kommen zwei „Priester“ hinzu, die einen „Tanz“ aufführen. Naja Tanz kann man das nicht nennen. Sie geiseln sich auch, stampfen im Rhythmus der Musik mit, drehen sich im Kreis. Mit der Musik und dem Weihrauch, den Priestern und der Gottesstatue, der Menschenmenge und Gläubigen ist es einfach sehr speziell und einzigartig dem beizuwohnen. Man ist staunender Zuschauer. Wir sind in Indien.

Am Anfang eines Tages wenn wir unsere Sachen gepackt und das Motorrad beladen haben, bin ich froh, nicht zu wissen wie die Straßenverhältnisse sein werden. Wir entscheiden uns Richtung Shimla zu fahren. Einer ehemaligen britischen Kolonialstadt in den Bergen. Sommersitz der Briten, wenn es Dehli zu heiß wurde. Wir wussten, dass wir die Strecke nicht an einem Tag schaffen würden, weil wir durch die Berge müssen. Dass da noch ein Pass dazwischen liegt und pistige Bergstraßen, davon haben wir nicht gewusst.

 Wir fahren gerne durch die Berge. Pakistans Berglandschaft hat uns schon sehr gefallen. Indiens Berglandschaft ist anders und auch sehr schön. Es ist einfach toll anzusehen, wie die Dörfer in den Tälern liegen. Wie fleißig die Menschen arbeiten. Es riecht nach Sandelholz und die Bäume wachsen bis zum Himmel.

Die Strecke von Vashisht nach Shimla führt aus den Bergen ins Tal und wieder rauf in die Berge. Die Straßen werden schlechter bis sie nur noch staubige Schotterpisten sind. Till fährt meisterhaft die Straße hoch. In den kleinen Dörfern kommt es oft zu Verkehrskollapsen. Jeder Inder am Steuer meint recht zu haben. Keiner kann sich zurücknehmen oder den Rückwärtsgang einlegen um dem Chaos ein Ende zu bereiten, das er durch sein Fehlverhalten ausgelöst hat. Nein. Immer schön rein fahren. Der andere muss mir Platz machen. So kommt es dazu, dass eine 300 Kilometerstrecke schnell zu einer Tagesstrecke werden können. Till ist nur am Fluchen und Schimpfen.

Wir kurbeln uns den Berg hinauf. Es wird spürbar kälter. Die Bäche gefrieren. Es wird schnell dunkl . Wo sind wir? Wann wird die Straße besser? Wo schlafen wir? Und plötzlich ist man auf einem 3300 Meter Pass angekommen. Ok...krass. War nirgends auf unserer Karte markiert. Die Aussicht von oben ist wunderschön. Die hohen Berge im Hintergrund, die nur erahnen lassen, wie mächtig sie sind.

 Jetzt aber schnell runter und einen Schlafplatz suchen. Wir finden ein süßes kleines Guesthouse, das von einer lieben Familie geführt wird. Das Häuschen riecht lecker nach Holz, die Frau kocht uns ein fantastisches Abendessen. Der Hausherr erzählt uns, dass erst vor ein paar Tagen, einer Frau beim Holzsammeln ein Bär über den Weg gelaufen ist und vor geraumer Zeit ein Leopard seinen Hund gerissen hat. Wir staunen. Eine Bären- und Leopardengegend. Oha. Die Toiletten befinden sich auch noch außerhalb vom Zimmer. Ohoh. Aber der Mann beruhigt uns. Menschen seien noch nicht angegriffen worden. Soso. Mit mulmigen Gefühl und einer Taschenlampe in der Hand laufe ich zum Toilettenhäuschen.

 Dieser Ort war so friedlich. Ich wäre am liebsten länger geblieben. Es war so schön ruhig. In den Räumen wurde es durch das Holz schön warm und kuschelig. Die Aussicht ins Tal am nächsten Morgen war herrlich, die frische Luft, das Frühstück, das Lächeln der Familie und ihre liebenswürdige Art haben den Ort zu etwas Besonderem gemacht. Hier haben wir uns wohl gefühlt. Das Leben in den Bergen ist sicherlich nicht leicht. Sie arbeiten hart an ihren Feldern und Tieren. Alt und Jung helfen mit. Wie die Frauen teilweise schwer bepackt den Berg hinauflaufen, dabei Kinder im Auge behalten und noch ihre Schafe hochtreiben ist bewundernswert. Da schlackern wir nur mit den Ohren. Und wenn man an ihnen vorbeiläuft dann strahlen sie einen an. Sie haben ein Strahlen in den Augen, das Lächeln ist warm, die Umarmungen herzlich, fest und erdig. Ich hoffe, dass ich diese Familie noch einmal besuchen darf.

Ohne einen Leoparden oder Bären gesehen zu haben geht es auf guten Bergstraßen weiter nach Shimla. Zum Sonnenuntergang erreichen wir die Stadt auf dem Bergrücken. Die Kolonialstadt sieht sehr britisch aus und viele Touristen sind da. Über der Stadt thront eine riesige Hanumanstatue. Die Affen rasen über die Dächer. Jetzt sieht man neben den Bergaffen auch noch die großen Stadtaffen. Ujujuj. Die sind mir nicht geheuer. Wir machen einen kleinen Stadtbummel bei Sonnenuntergang..

Wir wollen ein wenig Strecke machen. Daher geht es schon am nächsten Morgen weiter nach Chandighar. Chandighar ist eine Planstadt, die von Le Corbusier, einem berühmten Architekten, geplant wurde. Daher interessant für Till, diese Stadt zu besuchen. Als wir ankommen geht es gleich zum „rock garden“, einem Skulpturen Garten alles hergestellt aus Abfall. Der Künstler, der diesen „Garten“ errichtet hat heißt Nek Chand. Die Stadt fand dieses Idee so gut, dass sie ihn in seiner Arbeit unterstützt hat. Daraus ist ein großflächiger Garten mit Wasserfällen und abgefahrenen Skulpturen entstanden. Sehr interessant.

Wir bleiben über Nacht und gehen noch lecker essen. Die vegetarische Vielfalt ist in Indien gigantisch. Man erhält auf einer Menükarte über 20 verschiedene vegetarische Gerichte. Die Namen sind neu, aber wir essen uns durch die Gerichtekarte durch :)

Chandighar – Rishikesh – 160 Kilometer – Tagesstrecke. Der Verkehr ist unglaublich anstrengend in Indien. Ich bin Till und allen Göttern Indiens dankbar wenn wir unser Ziel erreichen. Heil und unversehrt. Rishikesh liegt am Ganges, dem heiligen Fluss der Inder. Hier entspringt er, daher ist Rishikesh ein bedeutsamer Pilgerort für die Inder. Wir finden ein Hotel mit Blick auf den Ganges. Ist schon toll hier zu sein. am heiligen Fluss der Inder. Frauen verkaufen Blütenblätter und Blütenketten, die man als Opfergabe mit seinen Wünschen dem Fluss übergibt. Tempel an jeder Ecke. Statuen, Opfer, Weihrauch, Sadus (Mönche), Ganges. Alles wird zu einem Geschehen. Alles fügt sich zusammen. Alles wird ein Bild.

Am nächsten Morgen besuchen wir die andere Seite des Ganges. Dort wo man die Ashrams (=klosterähnliches Meditationszentrum, religiöse Herberge) findet, die auch viele ausländische Touristen besuchen. Hier lehren die Gurus und Yogis und hier waren auch die Beatles zum meditieren da. Am Ganges waschen sich die Menschen, wollen gesegnet werden vom heiligen Wasser. Die Kühe chillen ruhig daneben. Sagenhafter Anblick.

5 Kilometer weiter liegt Haridwar, einer von sieben heiligen Städten Indiens. Auch hier spielt sich alles am Ganges statt. Die Menschen trinken das Wasser, baden sich darin, waschen sich darin, bringen Opfergaben in Form von Blüten und Lichtern. Die Sadus sammeln sich hier. Tills Haare erregen aufsehen, da viele Sadus ähnliche Haare haben. Wir schlendern am Ufer entlang und schauen dem Treiben zu.

Indien hat aber noch ein weiteres Gesicht. Nicht nur Tempel, Götter, Ganges und Weihrauch. Wir sehen hier sehr viel arme Menschen. Viele leben auf der Straße, betteln, wühlen in Müll herum, schlafen neben Müll, schlafen im Müll, haben nur das, was sie an haben. Viele Kinder, die arbeiten, ihren Eltern bei der Arbeit helfen. Kleinkinder die am Zelt neben der Baustelle spielen, da ihre Mütter Steine für Schotter mit dem Hammer klopfen. Nichts mit Kindergrippe, nichts mit Kindertagsstätte, nichts mit Kindergarten, Früherziehung, Bildung. Hier passen die großen Geschwister auf die Kleinen auf, obwohl sie selbst erst 5 Jahre alt sind. Hier spielen Kinder mit Überresten, die sie aus dem Müll gefunden haben.

 Eine Frau setzt sich mit ihren drei Kleinkindern neben mich. Wir verständigen uns mit Körpersprache. Einen Vater gibt es nicht, sie besitzen nur eine Decke, die das kleine Mädchen trägt. Die Decke ist zerfranzt. Mehr haben sie nicht. Diese Decke ist ihr zuhause. Sie suchen sich jeden Tag einen neuen Schlafplatz irgendwo mit vielen anderen. Das Baby weint. Das andere Kind kann gerade laufen. Was macht diese junge Mutter? Wie kommt sie durch? Was wird aus den Kindern? Wo ist der Vater? Wo wird sie heute schlafen? Ist sie allein? Hat sie Angst? Ich hätte es..jeden Tag aufs neue. Ich schaue sie an. Sie ist meinem Alter. Wir sitzen einfach da. Wir leben in völlig unterschiedlichen Welten, kennen uns nicht, haben nichts miteinander zu tun und sie zeigt mir auf unverblümte Weise ihr Leben, ihr Dasein. Sie bemüht sich zu lächeln. Sie muss nicht lächeln für mich, dachte ich mir, ich weiß, dass ihr gerade nicht zum lächeln zumute ist. Ich möchte sie zum essen einladen. Sie und ihre kleine Familie. Ich möchte ihr Geld geben, sie lehnt ab, sie hätte gerne eine neue Decke. Ich habe keine Decke. Ich muss gehen. Ich hätte auf dem Markt eine Decke kaufen sollen und die kleine Familie suchen müssen danach. Einfach nur eine Decke.

Heute lagen 340 Kilometer vor uns. Wir können jetzt gut abschätzen wie lang wir dafür brauchen. Der Hotelier meinte von Hariward nach Agra bräuchten wir 6 Stunden, wir sagen 8-10 Stunden. Es werden 8,5 Stunden.

Der Tag beginnt, wieder mal, am Motorrad. Wir binden seit wir in Indien sind quer über die Sitzfläche ein Band, damit sich keiner einfach auf das Motorrad setzten kann und herumspielt. Das Motorrad durften wir über Nacht extra in einem abgeriegeltem Privathof abstellen, damit genau das nicht passieren kann, aber dem war natürlich nicht so. Das Band war abgemacht worden, nach Tills Nachfrage was das solle meinte ein Inder, „ich habe das abgemacht, damit ich mich auf das Motorrad setzten konnte“ und lächelt dabei. Das war für Till am frühen Morgen und zudem noch mit wenig Schlaf, weil Inder sich auch im Hotel nicht benehmen können, zu viel. Er wird verständlicher weise sauer und bemüht sich zu erklären, weshalb man das nicht macht, weil es sein Eigentum ist und man fremdes Eigentum respektieren sollte. Ich bin mir nicht sicher ob der Inder das verstanden hat. Nun ja, der Tag auf indiens Straßen und das abnormale Fahrverständnis der Inder haben ihr übriges getan. Es wurde ein sehr anstrengender Ritt mit Tills zahlreichen Rachphantasien und Bemühungen das Fehlverhalten der anderen lauthals und mit drohenden Gestiken zu verstärken. Neben den zahlreichen Tieren (Kühe, Rinder, Hunde, Ziegen, Schafe, Schlangen, Wasserbüffel, Affen …) auf den Straßen machen die Inder in ihren Rikschars, Traktoren, LKWs, Autos, Moped, Motorrädern, Kutschen, Fahrrädern, Fußgängern die Straßen zu einem gefährlichen Terrain. Dann auch noch das: Nach einer Rast geht Till an das Motorrad, da fällt sie plötzlich fast um. Einfach so..?! Nein..der Ständer ist einfach abgebrochen. Wie kann das bitte sein?! Till hat extra einen neuen vor der Reise anbringen lassen und jetzt ist er einfach abgebrochen. Das passt heute zu dem Tag. Dies alles in Kombination mit verstopften Städten, Sonnenuntergang, 20 Kilometer Umweg auf schlechten Straßen durch die indische Prärie und Dunkelheit gehört die Fahrt nach Agra zu einer der anstrengendsten Fahrten bis jetzt auf unserer Reise. War ich froh und dankbar als wir an einem Hotel mit eigenem Parkbereich im Hotelgelände ankamen. Duschen, den Tag wegwaschen, auf die Dachterrasse mit Blick auf das Taj Mahal. Ankommen. Runterkommen. Was für ein Tag.

Nachdem wir gestern bei Dunkelheit in Agra angekommen waren und das Hotel in der Altstadt gefunden hatten, das uns Bernhard empfohlen hatte, lag das das Taj Mahal im Dunkeln. Es wird nachts leider nicht bestrahlt. Wir konnten nur die Umrisse erahnen. Dafür war ich auf den nächsten Morgen gespannt. Gleich hoch auf die Terrasse des Hotels mit einem sagenhaften Blick auf das Taj Mahal. Mit so einer Kulisse zu frühstücken ist natürlich toll. Leider nur von der Ferne heute. Das Bargeldproblem holt uns ein. Die ATMs haben seit der Umstellung in Agra kein Bargeld. Ohne Mos nix los. Wir können den Eintritt nicht bezahlen und hoffen daher, dass uns morgen die Banken wieder mit Geld versorgen können. Dafür chillen wir gediegen den Tag auf der Terrasse bei schönstem Wetter, besuchen das "red fort" und können uns von der gestrigen Fahrt erholen. Tut auch gut. Schönen ersten Advent.

Ganz in der Frühe fahren wir mit dem Motorrad zur Bank. Die Schlange ist bereits sehr lang, aber ich darf zu der kurzen Frauenschlange und schwups bin ich am Geldautomaten und er wirft tatsächlich Geld raus. Juhu. Die Maximalhöhe ist seit Wochen auf 27 Euro pro Person pro Tag beschränkt. Wir können ins Taj Mahal. Aber erst mal frühstücken. Am Straßenrand verkauft ein Mann warmes und scharfes Frühstück. Wir gesellen uns dazu und es ist einfach lecker. Insgesamt zahlen wir umgerechnet 55 cent. Gestärkt geht’s zum Taj Mahal.

Es war einfach überwältigend schön. Die feinen Steinarbeiten, die Blüten, diese Schönheit. Wir haben den Tag im Taj Mahal sehr genossen.

Am nächsten Morgen in aller Frühe, um das Hotel bezahlen zu können. Geht es wieder in die Bank. Das wird wohl unser special indian hobby werden. Es nervt aber muss sein. Bonus Frau zu sein darf ich an der Meterlangen Männerschlange vorbei und Geld abheben. Das erspart uns eine menge Zeit. Wir bepacken das Motorrad und fahren nach Jaipur. Jaipur ist die Hauptstadt des Bundesstaates Rajastan und ist berühmt für seinen Stadtpalast Hawa Mahal, der auch Palast der Winde genannt wird, seinen mächtigen Fort und, auf was ich mich schon lange freute, auf uralte Obervatorium Jantar Mantar. Was das überwältigend. Im Jantar Mantar sind 18 Instrumente errichtet, mit denen sich die Positionen und Bewegungen von Sternen und Planeten, die Zeit ablesen und sogar die Intensität des Monsuns bestimmen lassen. Darunter befindet sich auch die größte Sonnenuhr der Welt mit 27 Meter Höhe. Wir haben schon so viel darüber gehört in Reportagen und jetzt stehen wir da und können nur staunen, wie exakt diese Messinstrumente arbeiten und das alles weit vor der Zeit der Computer. Sie haben geforscht und durch reine Beobachtungen ihr Wissen, das noch für unsere Zeit wichtig ist, erarbeitet. Um diese Sehenswürdigkeiten zu sehen lassen wir das Motorrad stehen und gönnen uns eine Rikshar für einen Tag. Jaipur ist eine Millionenstadt. Überhaupt hat Indien nur Millionenstädten. Die Menschen leben hier dicht aufeinander. Dazwischen Kühe, Schweine, Ratten, Ziegen und Schafe. Es gibt hier nicht nur die schönen Sehenswürdigkeiten, die täglich von hunderten Touristen besucht werden. Wenn man durch die Gassen fährt blickt man direkt in das Gesicht von Armut, Dreck, Gestank und Müll. Kinder, die nackt mit Müll spielen, Frauen, die im Müll wühlen, Kühe, die Müll fressen, Männer, die neben dem Müll schlafen. Müll ist ein riesiges Problem für Indien. Flüsse, die schwarz sind und so dermaßen stinken, dass sich einem der Magen dreht. Die Fressbuden sind weit von deutschen hygienischen Standards entfernt. Weit! Sie besitzen nämlich gar keine! Während dem Essen eine Maus springen zu sehen ist nicht unüblich. Oder die Katze aus der Schüssel leckend, in der gekocht wird. Toiletten gibt es nicht. Die Männer pinkeln öffentlich überall hin. Ich frag mich wie die Frauen das hier machen. Und was ich persönlich so richtig eklig finde, ist das rumgespucke der Männer leider auch der Frauen. Schön laut und schön tief von ganz unten rausholen. Und dann schön vor die Füße rotzen, manche sogar in ihren eigenen Laden!! Viele Wände sind schon ganz verfärbt, weil sie in die Ecken spucken. Die kennen hier keine Scham, keine Peinlichkeiten, keine Intimsgrenzen. Die machen einfach, die haben hier auch keinen Platz, keine Privatsphäre. Das ist ein Teil Indiens. Das ist das wahre Gesicht Indiens.