Mai


Hongkong. Krasse Stadt. Solche Hochhäuser habe ich noch nicht gesehen. Alle Einwohner von Niederstetten passen vermutlich in ein Häuserblock. Wahnsinn. Unser Freund Stefan erwartet uns in seinem Büro. Es ist schön ihn nach so langer Zeit wieder zu sehen. Gemeinsam fahren wir nach Hongkong rein. Er wohnt im 19. Stock von 30. Stockwerken! Die Aussicht ist toll. Wir sind ihm so dankbar, dass wir hier die nächsten Tage, und was wir bis dahin noch nicht wissen, nächsten Wochen, wohnen dürfen.

Aus den geplanten fünf Tagen Hongkong ist nichts geworden. Es wurden 14 Tage. In dieser Zeit konnten wir bei Stefan unterkommen, während er geschäftlich nach Deutschland zurück musste, und die ganze Cargo Angelegenheit klären, was gar nicht so leicht ist. Erst mal haben wir unserem Cargo Agenten unsere missliche Lage erklärt, in die er uns da gebracht hatte. Ich hoffe er hatte es verstanden. Seine Aufgabe war es nun herauszufinden, an welche Flughäfen er denn nun unsere „dangoures goods“ Kiste mit dem Motorrad anfliegen kann. Die Sache ist die, nur Thai Airlines kann von Kathmandu aus eine „dangours goods“ Ware fliegen. Was sich herausstellte war, dass die Flugzeuge, die von Bangkok nach Ulaanbaatar fliegen zu klein waren für unsere Kiste. Es hätte nicht durch die Luke gepasst. Wir mussten jetzt erst mal herausfinden an welchen Flughafen unsere Kiste geflogen werden kann und wie wir die Weiterfahrt organisieren. Und genau hier liegt die Schwierigkeit in dem ganzen. Es bedarf nämlich sehr viel Zeit und Geduld auf solche Fragen Antworten zu erhalten. Zunächst mussten wir Cargo Gesellschaften finden. Das ist der erste Schritt, dann Kontakt aufnehmen, dann email schreiben und auf Antwort warten. Und genau diese „Antwortzeit“ konnten wir nicht beeinflussen. Hier hieß es dass wir geduldig warten mussten. Was für uns schwer war, denn eigentlich wären wir schon längst in der Mongolei unterwegs gewesen. Die Flüge wurden natürlich gecancelt. Was zum Glück problemlos geklappt hatte. Folgende Optionen haben wir herausgearbeitet:

 

  1. Motorrad kann nach Hongkong, Peking oder Korea geflogen werden.

  2. Von Peking mit dem Güterzug über Landweg in die Mongolei

  3. Von Hongkong mit dem Flieger in die Mongolei

  4. Von Korea mit dem Flieger in die Mongolei

 Was sich dann in den nächsten Tagen herausstellte war, dass Punkt 2 nicht möglich ist, weil eine Einfuhr nach China sehr schwer ist. Selbst für eine Hongkonger Cargo Gesellschaft. Das selbe gilt für Punkt 3 und Punkt 4 hätte uns knapp 3000 € gekostet. Puh! Das Motorrad kann für uns also nur noch nach Korea geflogen werden. Über China ist nicht möglich. Eine andere Lösung wäre Vladiwostok. Diese Route über Russland war mal eine unserer ersten geplanten Routen gewesen, die wir aber dann verworfen hatten. Jetzt könnte sie wieder aktuell werden. Mit der Fähre von Korea nach Vladiwostok und über den Transsibirischen Highway in die Mongolei. Wir grübeln hin und her. Dann finden wir auch noch heraus, dass wir in Korea das Motorrad nicht fahren dürfen, das heißt, es müsste vom Flughafen auf die 300 km andere Seite zum Hafen gefahren werden. Und wie kriegen wir die Kiste aus dem Zoll? Schaffen wir das selber? Brauchen wir einen Agenten dafür? Fragen über Fragen.

Wir haben natürlich nicht die ganze Zeit vor dem PC gesessen und auf emails gewartet. In dieser „Wartezeit“ haben wir Hongkong für uns entdeckt. In der ersten Woche war das Wetter schlecht und somit auch die Sicht über Skyline und Stadt. Aber in der zweiten Woche kam wieder die Sonner heraus und die Stadt zeigte sich so, wie man es sich immer vorstellt. Lichter, Glamour, teure Autos, Hochhäuser, Fähren. Volle Programm. Wir hatten eine gute Zeit in Hongkong. Danke Stefan, dass wir deine Wohnnomaden sein durften. Du hast uns damit sehr geholfen.

So geht es nun mit uns weiter: Das Motorrad wird nach Korea geflogen und wir fliegen auch nach Korea. In Seoul treffe wir hoffentlich unsere Kiste wieder. Wie wir die Kiste da raus kriegen steht noch offen. Notfalls haben wir schon eine Agentin gefunden, die das für uns erledigen könnte. Dann haben wir ein wenig Zeit Korea zu entdecken, bevor unser Russland Visum gilt. Denn dann geht es für uns mit Motorrad ab nach Vladiwostok, wo wir dann hoffentlich wieder vereint sind und uns auf die Rückreise machen können. Dann wird es nochmal richtig wild und abenteuerlich. Wir können es kaum erwarten. Bis dahin steht uns aber noch einiges bevor. Viel Papierkram und Organisation. Daumen drücken. Es bleibt spannend.

Was macht Hongkong für mich aus?

  • Stefan :)

  • Hochhäuser

  • wohnen im 19. Stock

  • Dim Sum

  • Suppen Suppen Suppen

  • alles was man Trocknen kann

  • Tee und warmes Wasser zum Essen

  • Essen mit Stäbchen

  • International

  • Philippinische Pizzaria

  • der längste Fahrstuhl

  • Peak mit Plastiktüte

  • Hongkong bei Nacht...wow!!

  • Altern geht nicht! Schönheitsfarmen voll besucht.

  • Philippinische Haushaltshilfen

  • „copy watch?“ vor den teuren Uhrengeschäften

  • Tesla Autos ohne Ende

  • steile Straßen

  • Wie kriegen wir das Motorrad in die Mongolei???

  • Telefonate und Email Kontakt mit chinesischen und mongolischen Cargo Gesellschaften

  • „is the flight canceld?“

  • „Was machen wir nur?“ Fragen über Fragen

  • Flight confirmed. Unser Motorrad fliegt nach Korea...Juhu!!! Was für eine Erleichterung!

Wir sind in Seoul. Der Himmel ist zu sehen. Ich dachte, dass hier Hochhäuser genauso wie in Hongkong in den Himmel ragen, aber dem ist nicht so. Man kann den Himmel sehen ohne den Kopf in den Nacken zu legen. Dafür legen die Koreaner ihren Nacken lieber nach vorne um sich auf das Handy zu konzentrieren. So was haben wir noch nicht gesehen. Wirklich extrem. Das mobile Gerät ist so präsent überall. Die nächsten 7 Tage verbringen wir mit sightseeing pur. Wir haben alles in Seoul angeschaut, was man anschauen kann. Nebenher haben wir das Motorrad mit Hilfe von Wendy, unserer Agentin, vom Flughafen Seoul zur Hafenstadt Donghe fahren lassen. Da die Fähre nach Vladiwostok nur sonnags fährt, bleibt das Motorrad für ein paar Tage im Warehouse. Dann wird sie ohne uns nach Vladiwostok verschifft, wir folgen wenige Tage später, da unser Russland-Visum erst am 18.5. gültig ist. Der Plan steht. So wird er durchgezogen. Es fühlt sich wieder alles gut an. Die Wochen des ständigen hin und her sind endlich vorbei. Bald gibt es wieder das Motorrad, uns und die Straße. Eine Überraschung für uns kam aber doch noch. Diesmal aber eine freudige. Die Heidenau Reifenhersteller haben uns mit Reifen for free beschenkt. Wahnsinn. Wir waren hin und weg. Danke an Wendy für ihr Vertrauen und ihren Einsatz. Danke an Heindau für die Reifen, die wir für Russland und die Mongolei brauchen. In Südkorea hatten wir eine gute Zeit obwohl das Land nicht auf unserer Liste stand und wir können in wenigen Tagen die Welt auf unserem Motorrad weiter“er-fahren“.

Was macht Seoul für mich aus?

  • Wendy :)

  • Heidenaureifen for free...jiha!!

  • Suppen, Suppen, Suppen

  • Essen mit Metallstäbchen (gar nicht so leicht)

  • Grilltische

  • Steingrillen

  • Sushirollen

  • Walnusswaffeln

  • Sightseeing pur

  • Flug nach Vladiwostik gebucht...ahhh..wir fliegen nach Russland

  • Motorrad fliegt nach Korea und mit der Fähre nach Vladiwostok

  • Stockbetten

  • „We want to extend our nights“

  • Traditionelles Theater. Das beste was ich je gesehen habe.

  • Caffee to go

  • Überall Plastik

  • wightening cremes

  • Schminkende Koreaner überall

  • Juhu..es gibt Wattepads

  • Gasmasken in der U-Bahn

  • Schon wieder ein Maybach

  • Die „Zeugen“ sind überall

  • anrepelnde Koreaner

  • unaussprechliche U-Bahnstationen

  • größtes U-Bahnnetz, das ich je gesehen habe

  • T-Money

  • Kosmetik Läden ohne Ende

  • Auch Männer schminken sich

  • Mode und Beauty zählt über alles

  • Gangnam fand ich langweilig

  • full moon weiße Porzellan Vase

  • das geheimnisvolle 1500 Jahre alte Lächeln des Buddhas

  • Handyvernarrte Koreaner

 18.5.2017. Unser Russland-Visum startet. Mit zwei Reifen als Gepäck stehen wir am Schalter im Seoul Flughafen und können es kaum erwarten bis der Flieger geht. Der Flug geht nur zwei Stunden. Wir sitzen aufgeregt im Flieger. Gleich geht es los. Kaum zu fassen. Wir fliegen nach Vladiwostok. Russland – wir sind gleich da.

Wie stellt man sich Vladiwostok vor? Grau? Windig? Frostig? Wir landen bei schönstem Sommersonnenwetter. Die Reifen rollen aus dem Gepäckband und wir holen unsere erste Rubel aus dem ATM Automaten. Abgefahrenes Gefühl. Der Wind streicht sanft über die Nase. Mit einem Sammelauto fahren wir 60 KM nach Vladiwostok. Über dem Berg sind erste Wolken zu sehen, die schlechtes Wetter andeuten. Doch grau, frostig und windig? Nach einer Stunde kommen wir in Vladiwostok an. Es regnet, es ist kalt und windig. War ja klar. Wir haben es nicht weit bis zu unserem Hostel, das sehr gemütlich ist. Von hier aus starten wir unsere Vladiwostok Erkundungstour. Die Regenmütze tief im Gesicht laufen wir erst einmal zum Hafen und zum Bahnhof. Dort steht die transibirische Eisenbahn und irgendwo unsere Kiste mit unserem Motorrad. So nah dran. Morgen wollen wir unser Motorrad aus dem Zoll rauskriegen. Schaffen wir das ohne Hilfe? Ist unsere Maschine überhaupt angekommen? Wir sind zuversichtlich. Es ist bereits Abend geworden und Vladiwostok zeigt sich als mir so vorgestelltes Bild: grau, windig, frostig. Es ist kalt geworden und es scheint, als würde es gleich anfangen zu schneien. Wir suchen einen Supermarkt und finden uns in einem Schlaraffenland wieder. Ich weiß nicht, ob man das nachvollziehen kann, was sich in den nächsten Minuten in diesem Supermarkt für uns abspielt aber ich will versuchen es zu erklären. Nach Monaten in Asien laufen wir durch einen russischen Supermarkt und finden in den Regalen Schwarzbrot!!!, Wurst!!!, Käse!!! Quark!!!, Joghurt!!!!! Ihr fragt euch jetzt, spinnen die total, das gibt es doch überall auch. Nein!! Gibt es nicht! Und ja, in Hongkong überteuert, aber das was wir erleben ist Schlaraffenland. Wir müssen aufpassen, dass wir vor lauter Freude nicht den ganzen Wagen vollpacken. Wir kaufen ein: Schwarzbrot, Salami!!!!, Wurst, Käse!!! und Quark und haben am ersten Abend eine zauberhafte Brotzeit im Hostel. Ich werde diesen ersten Abend in Russland ganz sicher nicht vergessen, wie wir genüsslich diese Abendbrotzeit genießen.

Der Wecker klingelt. Wir wollten pünktlich um 9 Uhr im Büro der Fährgesellschaft sein. Wir glauben, dass wir um 9:10 am Büro ankommen. Mist, es ist schon eine Stunde später. Zeitumstellung. Wir sind jetzt nicht nur an der östlichsten Stadt unserer Reise, sondern auch 8 Stunden voraus. Wir sind also um 10:10 im Büro der DBS Ferry. Es ist Freitag. Hoffentlich machen die nicht schon um 12 Uhr alles dicht. Wir können uns zum Glück auf Englisch verständigen. Der junge Mann prüft erst einmal ob unsere Maschine überhaupt angekommen ist. Bange Sekunden. Ja, sie ist in Vladiwostok angekommen. Nein, er kann die Maschine nicht aus dem Zoll für uns rausholen. Er legt uns nahe einen Agenten anzuheuern, der den Papierkrieg erledigen soll. Alleine würden wir das nicht schaffen. Er habe da einen, der uns helfen könne. Unser Mann des Tages heißt Yuri (er wird nicht der erste Yuri an diesem Tag sein, den wir kennenlernen). Yuri und seine zwei Mitarbeiter sind darauf spezialisiert Waren aus dem Zoll zu holen. Die nötigen Papiere werden ausgehändigt, dann heißt es warten. Wir machen einen kleinen Spaziergang durch Vladiwostok. Das Wetter ist gut. Kein Regen, die Sonne scheint. Es fühlt sich sogar warm an. Nach einer Stunde treffen wir wieder Yuri in seinem Büro. Die Papiere sind ausgefüllt, jetzt müssten wir zum Zoll und Daumen drücken, dass heute noch alles durchgeht. Wir fahren mit ihm zum Zoll und dann heißt es wieder warten. Hier lernen wir die russische Bürokratie kennen. Zwei Stunden warten wir. Türen gehen auf und zu. Frauen in kurzen Uniformröcken wechseln die Zimmer, Männer mit Akten und Papieren wechseln ebenfalls die Zimmer. Yuri kommt raus, geht ins nächste Zimmer. Wir warten und schauen dem Treiben zu. Machen können wir eh nichts. Alles liegt jetzt in der Hand unseres Agenten. Yuri kommt wieder raus, fertig? Nein, Zimmerwechsel. Unterschrift hier und da. Till wird geholt. Fragen werden gestellt. Dann wieder warten. Yuri schielt aus dem einem Zimmer zu uns herüber. Er streckt uns beide Daumen entgegen. Was heißt das? Fertig? Dürfen wir unser Motorrad aus dem Zoll holen? Wieder warten. Yuri kommt. Er strahlt. Es ist Freitag Nachmittag. 15 Uhr. Er hat es geschafft. Wir dürfen noch heute das Motorrad aus dem Zoll holen. Wir sind sprachlos. Happy, voll aus dem Häuschen.

 

Wir fahren gleich zum Zoll. Die Warehousegebühren von unschlagbaren 12 Euro zahlen wir gerne. Jetzt sind wir ganz aufgeregt. Wir kommen unserem Motorrad immer näher. Auch hier wieder eine emotionale Erklärung. Wir haben unser Motorrad vor zwei Monaten in Nepal das letzte Mal gesehen und gefahren. Zwei Monate hatten wir „Urlaub“ in Kuala Lumpur, Singapur, bei meiner Familie auf den Philippinen, zwei Wochen Hongkong mit Stressfaktor und Seoul. Wir haben das Motorrad schwer vermisst und so nah wieder an seinem Motorrad zu sein und zu wissen, dass die „Reise“ weitergefahren wird, ist schon ein sehr starkes Gefühl: Vorfreude, Erleichterung, Spannung, Aufregung, so viele Gefühle auf einmal. Und Fragen: Wie geht es der Maschine? Wie hat sie die Überfahrt überstanden? Springt sie gleich an? Ist alles drin? Fehlt etwas? Ist was beschädigt? Ist es die richtige Kiste? Wir haben so viel Zeit, Kraft, Emotionen und Geld in diesen Moment gesteckt. Und dann läuft man um die Ecke und sieht diese Kiste. Da fällt einem ein Stein vom Herzen. Ja, sie ist es. Es ist wie alle Festtage zusammen. Mit Brecheisen und Manneskraft werden die Bretter gelöst. Auch dieses Gefühl werde ich nicht vergessen, wie wir das Motorrad aus der Kiste auspacken und sehen, dass alles noch so aussieht, wie wir es in Kathmandu verpackt hatten. An dieser Stelle verabschiedet sich Yuri von uns. Wir sind ihm und seinem Team sehr dankbar. An einem Freitag ohne Voranmeldung eine Zollabwicklung in Vladiwostok abzuwickeln ist schon wirklich sehr professionell und besonders. Danke!

Die nächsten zwei Stunden sind wir mit Zusammenbauen beschäftigt. Dann kommt unser persönlicher Trommelwirbel. Springt die Kiste an?! Es ist spannend. Till dreht den Schlüssel um, die Lichter springen schon mal an. Gutes Zeichen. Jetzt den Power Knopf. Nichts. Nochmal. Wieder nichts. Schade. Wir schieben das Motorrad aus dem Zoll und verabschieden uns von dem Zollbeamten. Die Kiste dürfen wir ohne Bedenken dort liegen lassen. Keine Gebühren oder sonstiges. Vermutlich verkauft er die Kiste bei der nächsten Gelegenheit wieder. Nun stehen wir da. An was liegt es wohl, dass die Maschine nicht anspringt?! Ich schiebe. Nichts. Ich vermute, dass es am fehlenden Sprit liegt und ziehe mit dem 2 l Kanister los zur nächsten Tankstelle. Auf dem Weg treffe ich auf zwei Autos und eine Abschlepperdienst. Ich frage auf englisch, ob sie mir vielleicht helfen könnten. Ich wedle mit dem Benzinkanister und frage nach einem Überbrückungskabel. Die Jungs verstehen sofort. Ohne zu zögern nimmt der eine meinen 2 l Kanister und fährt zur nächsten Tankstelle. Ich solle warten. Als er zurückkommt fahren wir gemeinsam zu Till und der Maschine. Das fehlende Benzin war tatsächlich der Grund. Die Maschine springt an und wir bedanken uns bei den Jungs für ihre Hilfe. Russland heißt uns Willkommen. We are on the road again. Was für ein grandioses Gefühl wieder den Helm aufzusetzen, sich aufs Motorrad zu scheißen und den Fahrtwind um die Nase zu spüren. Grandios. Unbeschreiblich. Wir sind wieder komplett.

On the road again. Wir packen unser Motorrad samt neuen Heidenau Reifen und sehen aus wie ein intergalagtisches Raumschiff (Zitat Karo :) ). Vor uns liegen nun knapp 3000 km durch Russland und Sibirien Richtung Baikal See. Hallo Sibirien! Ich bin so gespannt, bei mir kribbelt alles. Vladiwostok ist unser östlichster Punkt unserer Reise. Ab sofort machen wir uns wieder gen Westen. Richtung Heimat. Aber dazwischen liegen noch drei Monate Abenteuer vor uns. Unser Plan: Russland, Baikal See, durch die Mongolei, Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Pamir Highway, Usbekistan, Kasachstan, mit der Fähre nach Aserbadjan, Georgien, mit der Fähre in die Ukraine und über Polen nach Deutschland. Wow! Und jetzt haben wir erst mal Sibirien vor uns. Das Leben ist spannend und steckt voller Überraschungen.

Bevor wir Vladiwostok den Rücken kehren wollen wir noch am U-Boot ein Bild machen. Till wendet genüsslich auf der Straße zurück und schon werden wir von der Polizei angehalten. Pässe, Fahrzeugschein, Führerschein. Mit einem Übersetzter am Handy teilt der Polizist mit, dass Till gerade über eine doppelt gezogene Linie gefahren ist, das strengstens verboten ist (später erfahren wir, dass Russen für diese Tat 6 Monate!!!! Führerschein entzogen kriegen). Hui. Ich ahne schlimmes. Till auch. Wir drehen uns um. Ja, Till ist gerade über eine doppelt gezogene Linie gefahren, als er gewendet hatte. Das kostet uns jetzt bestimmt einiges. Wir ziehen lange Gesichter. Ob wir Touristen seien, fragt uns der Polizist. Wir bejahen. Wir sind zwar noch keine 2 Km gefahren, aber ja. Er tippt in sein Handy. Jetzt tippt er bestimmt die Summe, die wir als Strafe zahlen müssen. Er gibt uns sein Handy. Darauf steht übersetzt. „Nicht über doppelt gezogene Linien fahren. I wish you all the best.“ Wir schauen ihn strahlend an. Erleichternd und ab sofort strengstens auf Verkehrsregeln achtend kehren wir langsam Vladiwostok den Rücken zu. Sibirien. Wir kommen.

 

Die Straßen sind super. Einwandfrei. Wir brettern durch die Landschaft mit Sonnenschein und Wärme. Was kann es schöneres geben. Vorbei an Kieferwäldern, Sumpfflächen und Mooren. Ja, so stelle ich mir Sibirien vor. Die Kälte kommt leider noch dazu. Wir schaffen am ersten Tag 672 km und dürfen neben einem Hotelteich unser Zelt aufschlagen. Am zweiten Tag machen wir 597 km und es wird spürbar kälter. Auch der Fahrtwind. Am dritten Tag fahren wir 690 km und jetzt spüren wir das ruhe und kalte Sibirien. Am Horizont sind dicke dunkle Wolken zu sehen. Nach einer kurzen Rast mit warmer Borscht bei einer Babuschka ziehen wir komplett unsere Regenmontur an. Ab sofort wird das unser tägliches Superoutfit werden. Die Straßen sind immer noch top. Wir sausen durch die Landschaft. Ich klammere mich an Till und bete, dass der Regen aufhört. Auf dem Berg hängen dicke Wolken. Wir kommen direkt in einen Schneesturm rein. Schnee im Sommer. So rauh kann Sibirien sein. Völlig unterkühlt kommen wir an DER Kreuzung an, wo es nach rechts abgeht auf die road of bones. Nach Magadan. Ich schlottere am ganzen Körper schon bei dem Gedanken Richtung Yakutsk zu fahren. Im Hostel in Vladiwostok habe ich einen kennengelernt, der aus Yakutsk kam und seine Schwester auf Hawai besucht hatte und wieder auf dem Heimweg war. Er erzählte mir, dass bei minus 50 Grad die Kinder vom Kindergarten daheim bleiben dürften und die Schulkinder bei minus 55 Grad. Ach du Schreck. Wie krass ist dass denn. Und jetzt stehen wir da an dieser, für Motorradfahrer, berühmten Kreuzung. Nein, den road of bones machen wir nicht, aber in naher Zukunft werden wir jemanden kennenlernen, der genau diese Strecke mit dem Motorrad gefahren ist. Tolle Geschichten hatte er zu erzählen. Aber wieder zu uns. Wir machen natürlich Fotos und wir nehmen uns vor in das nahegelegene Hotel zu fahren. Irgendwie muss ich beim Aufsteigen die Action Cam auf der Tasche liegen gelassen haben und nicht mehr an mich genommen haben. Im Hotel suchen wir nach dieser Cam. Till fährt nochmal an die Kreuzung zurück und findet die Cam völlig zerstört von einem LKW überfahren wieder. Meine Schuld. Die SD Karte hat es im Winde verweht. Miese Stimmung. Action Cam futsch und die Filmsequenzen von Vladwistok bis hierher auch. Ich fühle mich mies und zudem kommt noch, dass wir im Nachbarzimmer feiernde Nachbarn haben, die erst um 5 Uhr morgens total betrunken ins Bett fallen. Was für ein nächster Morgen.

Da die Nacht eh schon so kurz war fahren wir am vierten Tag „nur“ 508 km und gönnen uns mitten im Nirgendwo in Sibirien ein Zimmer mit einer typsichen Russca Banja. Man tut das gut. Herrlich. Wir genießen die zunehmende Wärme und die Aussicht. Am fünften Tag sind fahren wir 633 km und kommen unserem Ziel immer näher. Die Landschaft ändert sich zunehmend. Von den durchgehenden Birkenwälder plötzlich in eine offene Weite, dass es einem die Sprache verschlägt. Wir spüren, dass wir der Mongolei näher kommen. Es ist unbeschreiblich schön. Ich hoffe, dass die Bilder es wenig rüberbringen können, was ich damit ausdrücken möchte. An einem See im Wald schlagen wir unser Zelt auf und entscheiden uns am nächsten Tag kurzerhand, dass wir noch eine Nacht hierbleiben. Es ist so schön. Wir nennen in Chinggis Kahn See. Yuri aus dem Dorf, der uns mit Wurst, Brot und Süßigkeiten versorgt erzählt, dass dieser See eine heilende Wirkung hat. Dies hat Chinggis Khan und seine Gefolge herausgefunden, als sie nach einer Schlacht verwundet hier ankamen und die Wunden schnell verheilten. Chinggis Khan forderte von seinen Soldaten, aus dem kleinen Bächlein einen See zu schaufeln und sie taten es mit ihren Helmen. Seit dem existiert dieser See. Tolle Geschichte. Toller See. Tolles Wetter. Wir bleiben und ruhen uns in der Hängematte einfach mal aus. Was kann es schöneres geben, als einfach mal anzuhalten und die Seele baumeln lässt. Herrlich. Ich mag diesen Ort. Den Chinggis Khan See.

Wir sind kurz vor Ulaan Ude. Am sechsten Tag fahren wir 579 km zum Baikalsee und lassen Ulaan Ude ohne zögern hinter uns. Die Stadt hatte eine ganz seltsame Wirkung auf uns. Wir wollten da keine Minute länger bleiben. Wir nehmen die Nordroute zum Baikalsee und fahren auf Traumstraßen. Die Fahrt ist toll, aber jetzt wird es langsam anstrengend für Körper und Maschine jeden Tag solch lange Strecken zu fahren mit allen Witterungen, die es gibt. Endlich, ich kann es kaum fassen, wir kommen um 22:30 Uhr kurz nach Sonnenuntergang!! am ersten Dörfchen am Baikalsee an. Wir fahren direkt ans Wasser. Es ist rauh und frisch und das Wasser sieht aus wie ein dunkles Meer. Toll. Überwältigendes Gefühl. Wir sind am Baikalsee angekommen. Mit 25 Millionen Jahren der älteste und mit 1,6 km der tiefste See der Welt. Wow. Was für eine Kraft in diesem See steckt. Man kann sie spüren. Wir finden das einzige Hotel in dem Dorf und nehmen ein Zimmer im dem Holzhaus. Eine heiße Dusche ein warme Betten und man fühlt sich wieder als Mensch.

Wir genießen zwei Tage am Baikalsee. Es ist so schön hier. Der nächste Tag überrascht uns mit Sonnenschein und blauem Himmel. Wir schlendern durch das Dorf und Till fotografiert alle Fensterläden, die es gibt. Die „Fingerabdrücke“ der Häuser. Fantastisch. Wir laufen am Ufer entlang, genießen das Wasser und die Ruhe. Nur die harten schwimmen im Eiswasser mit gerade mal 5 Grad. Auch im Sommer. Noch vor zwei Wochen sind Eisschollen auf dem Wasser getrieben. Die Eisschicht wird im Winter so dick, dass man getrost mit dem Auto über den See fahren kann. Das ist bestimmt auch ein Erlebnis für sich. Baikalsee im Winter.

Nach zwei Tagen Erholung und tollem Frühstück mit Ausblick zieht es uns zurück nach Ulaan Ude und von dort aus nach Süden in die Mongolei. Wir schaffen es zeitlich nicht mehr in die Mongolei rein, sodass wir am Grenzstädtchen nächtigen. Am nächsten Morgen wollen wir uns gerade aufs Motorrad schwingen, da sehe ich den Platten am Vorderrad. Dieses Rad hat uns die letzten Kilometer schon einige Male Sorgen bereitet, weil er so viel Luft verloren hatte, aber nach jedem Aufpumpen konnten wir weiterfahren. Aber jetzt wird es Zeit Schlauch und Reifen zu wechseln. Wir fahren wir sie jetzt auch gute 3000 km mit uns rum. Und unsere alten Heidenaus haben nach über 20000 km auch Profil eingebüßt. Die geschenkten Reifen von Heidenau, die wir aus Korea mitgenommen haben werden aufgezogen und schon steht unser Motorrad mit nagelneuen Schuhen für die Mongolei bereit. Am Supermarkt treffen wir auf die ersten Overlander „Paulchen-on-tour“, die gerade aus der Mongolei kommen. Wir erhalten eine Karte von ihnen und einige Fahrtipps und dann geht’s auch schon los zur Grenze. Der Zoll in Russland stempelt alles problemlos ab, tschüss Russland, schön wars, wir kommen wieder.

Was macht Russland für mich aus?

  • Vladiwostok

  • Sibirien

  • Birkenwälder, Moore, Steppe, Weite

  • In 6 Tage von Vladiwostok zum Baikalsee

  • Transibirische Eisenbahn

  • Russca Banja

  • Borscht

  • Volle Motorrad-Regenschutz-Wärmemontur

  • Russian Tradition..... drink some Vodka

  • Baikalsee

  • Durchschnittlich 580 km am Tag auf dem Motorrad

  • Riesenschnaken, Schnakenschwärme

  • Chinggis Khan See

  • Wurst und Brot und Käse

  • Road of Bones

  • östlichster Punkt unserer Reise

  • „Wir fahren durch Sibirien“ … kneif kneif

  • Schnee im Sommer

  • geräucherter Fisch

  • große Gastfreundschaft

  • Yuri 1, Yuri 2, Yuri 3, …

  • gecrashte Action Cam

  • Sagen und Geschichten vom Baikalsee

  • Freiheitsgefühl

  • Ich mag Russland

  • rau und weich zugleich

  • riesige Waldbrandflächen

Unsere bisher gefahrene Strecke: Deutschland, Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Türkei, Iran, Pakistan, Indien, Nepal und Russland:

Kilometerstand bei Landeinreise:

Start in Bad Mergentheim: 106173 km

Österreich: 107177 km

Ungarn: 107688 km

Rumänien: 108380 km

Bulgarien: 109705 km

Türkei: 110170 km

Iran: 113286 km

Pakistan: 118080 km

Indien: 122970 km

Nepal: 131970 km

Russland: 133170 km

Mongolei: 137221 km